28-05-2014 – Die große Einöde

Leider habe ich die für den Tag entsprechenden Bilder nicht parat, daher wird dieser Tag erstmal nur aufgrund der Tagebuchaufzeichnungen und der unheimlichem Kapazität meines Gedächtnisses wiederhergestellt.

Was bisher geschah. Der gestrige Tag war eine gefühlte Woche, ein wirklich sehr langer Tag. Und dieser Tag? Dieser beginnt ebenfalls noch vor dem Wecker, der uns eigentlich regulär um 6 wecken sollte. Ist 6 Uhr nicht eine schöne Zeit zum Aufstehen und das auch noch im Urlaub? Ich bin mir sicher, dass ich mit dieser Ansicht ziemlich allein auf weiter Flur stehe und Mitreisende diese Einstellung eher als nervend betrachten, aber je länger so ein Tag wird, desto eher freut man sich, früh aufgestanden zu sein…

Wie auch immer, wir machen uns ganz in Ruhe fertig und schlendern rüber in Melitas Restaurant & Cafe. Eine echter Highway Trucker Stop, wenn es diesen Ausdruck überhaupt gibt. Drinnen sitzen auf jeden Fall nur Kerle und die Bedienung macht auch einen eher maskulin ruppigen Eindruck. Tina hat sich heute übrigens extra etwas sommerlich luftiges angezogen, weil die Sonne so schön in unser Zimmer gestrahlt hat. Tinas Outfit wirkt, wenn man davon absieht, dass sie allein auf dem Weg vom Zimmer zum Cafe gefroren hat, etwas deplaziert und dürfte einige der Trucker ziemlich nervös machen. Draussen stehen übrigens keine Trucks, nur ein PickUp. Verrückt..

Das Frühstück schmeckt jedenfalls und wohl genährt machen wir uns um halb zehn auf den Weg. Und der Weg ist lang.. sehr laaaang.. und vor allem langweilig. Wir fahren ca. 100 Meilen durch forstwirtschaftlich wertvolle Gebiete und die Strasse geht schnurstracks geradeaus. Ich werde müde.. Tina ist schon länger müde.. Einmal sehen wir kurz Pferde neben der Strecke. Wow.. Zwei Minuten später kehrt wieder die Einöde in den Wagen und mit ihr die Müdigkeit. Plötzlich erscheinen Häuser am Wegesrand.. Eine Stadt.. Eine Stadt.. Und auch eine Kaffebude. Endlich.. Ein wenig auftanken. Ein wenig munterer geht’s weiter und auch die Streckencharakteristik ändert sich ein wenig zum Positiven. Aber die Müdigkeit schafft es alsbald wieder sich mit in den Wagen zu drängen.

So sehen gelangweilte Pferde aus
So sehen gelangweilte Pferde aus

Den nächsten Halt legen wir in Bend ein. Dieses Mal ein richtiger Stop. An einem derart ereignislosen Tag kann man sich auch einfach mal in eine Mall stürzen und schauen, ob man nicht ein wenig Geld los werden kann. Wir tauchen ab in die angenehme Welt von Walmart. Einen Korb brauchen wir nicht. Wollen ja nur kurz was schauen und vielleicht ne Straßenkarte kaufen. An der Kasse haben wir allerdings am Ende neben dem RandMcNally Strassenatlas noch ne Grillzange und eine Lampe .. Den Süsskram zähle ich nicht einzeln auf, aber es sah mit Sicherheit witzig aus, wie wir da so ohne Korb und ohne freie Hand zum Bezahlen zur Kasse geschlendert kamen. Mittlerweile war es halb eins und als wir rauskommen, werden wir durch einen kurzen, aber heftigen Hagelschauer begrüßt. Ein Moment, in dem ich mich über den VW Passat freue..
Als der Schauer vorbei ist und wir zum Wagen können, muss ich feststellen, dass die Hagelkörner anscheinend nicht groß genug waren, der Wagen jedenfalls hat nicht die kleinste Beule. (würde meine vorherige Bemerkung gern streichen, aber gesagt ist gesagt.. Um es klar zu stellen, der Wagen leistet hervorragend langeweilige Dienste. Er ist zuverlässig und einfach zu bedienen. Eben typisch unaufällig und irgendwie sehr deutsch) Wir fahren weiter und ich zwinge Tina zu einem kleinen Umweg. Auf einem der großen Highwayschilder stand nämlich der Ortsname Redmond. Da klingelt doch etwas oder? Nein?! Da sitz doch das Evil Empire. Immernoch keine Idee? Aus Redmond stammt Microsoft. Die Firma, die mit ihrer phantastischen, innovativen und benutzerfreundlichen und ..grr Software fast alle Personal Computer der Welt in der Mangel hat. Kann man sich doch mal anschauen fahren oder nicht. Vielleicht sieht man ja Bill Gates und ihm fällt eine seiner ca 46.000 Millionen Dollar aus dem mit „Microsoft Rules“ bedruckten Jutebeutel. Obwohl.. Der ist doch noch aus einer Zeit, in der die Nerds mit Gürteltaschen umherliefen, oder? Nun gut, wir also auf dem 35 Meilen Weg nach Redmond.. In Redmond angekommen, erwarte ich eigentlich fette Hinweisschilder. So was wie: Microsoft nach rechts / Ungläubige links. Wobei der Weg links natürlich in einem tückischen Abgrund endet, den man erst so spät vor sich erkennt, dass Bremsen sinnlos erscheint. Biegt man hingegen rechts ab, landet zwar in der Hölle, aber erkennen kann man sie als solche nicht, denn sie ist einladend bunt, die Leute aufgeschlossen und hilfsbereit. Man möchte quasi umgehend hier bleiben. Aber, wir sehen nichts dergleichen. Das spannendste war ein Skateboardfahrer auf dem Freeway.

Echtes Redmon oben.. Wir.. Ähh.. Unten
Echtes Redmon oben.. Wir.. Ähh.. Unten

Mist.. Jetzt zurückfahren ist aber auch doof. Wir drehen zwar, biegen aber nach nicht allzu langer Fahrt einfach nach links in die Wallachhei, um abzukürzen. Wir wollen zum Highway 20 und das geht auch über kleinere Straßen, die sich als wirklich klein und abenteuerlich herausstellen. Nebenher bieten Sie aber auch Zeit für einen ganz kurzen Fotostop.

Ein 1968er Mercury Parklane.. Sehr fein anszuschauen
Ein 1968er Mercury Parklane.. Sehr fein anszuschauen

Die kleinen Straßen wollen allerdings gar nicht mehr enden und plötzlich beginnt es zu regnen. Toll, aber das wirklich Tolle war die Tatsache, dass der Asphalt nach dem Regen zu dampfen begann, da ihn die Sonne im Vorfeld zu sehr aufgeheizt hatte.

Das ist wohl der wilde, wenn auch öde Westen
Das ist wohl der wilde, wenn auch öde Westen

Die Sonne wechselte sich die nächsten Meilen sowieso andauernd fröhlich mit dem Regen ab und wir erreichen auch endlich den Highway 20. Damit erreichen wir aber auch die nächste Ebene der Langeweile. Sozusagen ein weiterer öder Meilenstein in der unendlichen Weite des amerikanischen Westens. Tina notiert im Tagebuch: Gegen die Orte an der 20 ist Meichow eine Weltstadt und MeckPomm ein Ballungsgebiet. Ich widerspreche dem nicht, sehe ich mich doch mit Miniwirbelstürmen neben dem Highway konfrontiert und auch die typischen „hierwarschonlangekeinermehr“ Westernstrohballen werden vom Wind über unseren Weg geblasen. Als Bespiel folgen einige Bilder der Ortschaft Brothers. Eine überschaubare Ansammlung von Häusern, die uns allerdings mit einem Kaffee und einer Toilette aufmuntern konnte.

Mehr als diesen Truckstop
Mehr als diesen Truckstop
und die Schule, können wir in Brothers wenig erkennen
und die Schule, können wir in Brothers wenig erkennen

Ganz plötzlich keimt allerdings wieder Leben in mir. Kurz vor Burns (der Stadt), fällt mir ein Schrottplatz ins Auge. Ich fahre zwar vorbei, meine aber auch, dass es sicher fein wäre, da mal ein paar Bilder zu machen. Tina meint, mach doch. Ich wende direkt und ohne Rücksicht.. Wir machen unseren stählernen Gaul vor dem Saloon fest und ich wage mich hinaus. Tina hält in der Kutsche die Stellung. Ich hingegen wage mich an die ersten Motive und drücke ab. Natürlich werde ich vom Platzwart bemerkt. Er verwickelt mich in ein kurzes Gespräch und ich ringe ihm die Erlaubnis ab, mich auch auf dem Rest des Geländes frei bewegen zu dürfen.. Yippie.. Ein wundervoller Schrottplatz. Die Wagen hier sind in einem traumhaften Zustand und der Himmel wolkenlos. Ich tobe fast eine ganze Stunde zwischen den Wracks umher, bis ich merke, dass es zuviel wird. Ich rette mich zu unserer Kutsche. Tina ist noch da. Sie liest und sieht halbwegs zufrieden aus. Ich komme auch langsam runter, bedanke mich bei dem Platzwart (im Gedanken, denn ihn selbst sehe ich nicht mehr) und wir fahren weiter.

Der erste Schuss ist gefallen
Der erste Schuss ist gefallen

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Ab Burns wird auch die Strecke wieder ein wenig interessanter, was allerdings auch an der tiefer stehenden Sonne liegen kann. Jedenfalls wird es hügeliger und die Sonne verwandelt die Hügel in samtbesetzte Kissen. Bloss nicht einschlafen.. In mitten der Samtkissen entdecken wir eine alte Bahntrasse. Die Trasse sieht original aus wie man sich das im wilden Westen vorstellt, selbst die Brücken machen hier keine Ausnahme. Die Bahnstrecke begleitet uns von nun an und macht die Fahrt dann doch noch zu einem kleinen Erlebnis, da es Spass macht, die Trasse im Auge zu behalten und zu sehen wo bzw. wie die Trasse sich in der alten Zeit durchs Land geschlängelt hat.

Auch fahrerisch wieder interessanter
Auch fahrerisch wieder interessanter

Langsam wird es spät, sogar noch später als gedacht, denn wir überfahren eine Zeitzonengrenze (keine Angst, auch hier niemand verletzt, man macht das in den USA eben so) und plötzlich ist es spät. Neben der Strasse gesellt sich zur Bahnstrecke noch ein silbrig glänzender Fluss und auch die Felsen erscheinen im Abendlicht wunderlich bunt. Wir halten kurz an, um die Gegend ein wenig wirken zu lassen. Allerdings wird es auch langsam Zeit für ein Nachtquartier. Der nächste Ort heißt Vale und ist wunderbar klein. Wir entscheiden hier zu suchen, aber unsere Wahl, das BATES Motel (bei wem klingelts?), ist leider ausgebucht. Das nächste Motel, was wir uns anschauen, sieht noch muchtiger aus, als das Bates. Der kleine Ort entäuscht uns und wir fahren weiter in die nächste Stadt. In Ontario angekommen, wünsche ich mich allerdings wieder in das kleine Vale zurück, denn diese Stadt hat so gar nichts, was mich zum Bleiben animiert, aber es ist spät und wir brauchen ein Bett.

Ohne Worte
Ohne Worte

Und jetzt wird das Tagebuch ein wenig dünn. Ich weiß, wir sind im Endeffekt auch in einem indischen Motel gelandet, aber ich weiß auch, wir waren bei mehreren Motels fragen und eines, auch von Indern betrieben, machte mir Angst. Der Chef hat auf meine Frage sofort den Vertrag rausgeholt, also ohne mir nen Preis zu nennen, dabei habe ich mit Sicherheit nicht nur nach einem Zimmer gefragt. Jedenfalls sah der Typ irre aus und holte dann auch noch seine Frau dazu, um mich festzunageln, als ich wiederholt nach dem Preis fragte. Als der Preis dann doch auf den Tisch kam, habe ich mich, immer mit Blick auf die Inder, wieder zum Auto begeben. Das Motel, für das wir uns dann entschieden haben, machte allerdings auch keinen deutlich besseren Eindruck. Vor dem Motel standen verschiedene Schrottkarren, die sicher keinen netten Leuten gehörten, aber so langsam war es egal, denn wir brauchten ein Bett und was zu essen.
Ich weiß auch noch, dass wir uns den Abend noch in die Innenstadt aufgemacht haben, um etwas zu essen und uns den Bahnhof anzuschauen. Gegessen haben wir dann bei einem Iren (absichtlich mit nur einem „R“ geschrieben). Tina hatte einen gar nicht mal so schlechten Burger und ich Rippchen. Spezialrippchen in lecker Biermarinade..

Nie wieder.. Ich fand die Marinade nicht lecker und die Rippchen darunter auch nicht, aber vielleicht waren die Rippchen gar nicht so schlecht, sondern nur die Marinade. Auf jeden Fall um eine Erfahrung reicher und vollgefressen genug, um in diesem fiesen Motel ein Augen zu zu bekommen.

Gute Nacht

400 Meilen und ganz wenig Spass
400 Meilen und ganz wenig Spass